Im Alltag kaum funktionsfähig – Zusammenfassung eines Interviews mit einer Betroffenen…
COVID und Entspannungspädagogik

LONG COVID- „Auf dem Papier genesen- im Alltag kaum funktionsfähig“ –

titelt die Einladung des Forschungsprojekt ASAP (1)

  • Wie ergeht es aktuell Menschen in Deutschland, die an Long Covid leiden?
  • Welche Erkenntnisse und Hilfen gibt es? Welche Unterstützung wird dringend benötigt?
  • Welche gesundheitspolitischen Forderungen und Rechte werden benötigt?
  • Welche Hilfe können Gesundheitscoaches und Entspannungsexpert*innen geben?
  • Wie kann der BVEP (Berufsverband für Entspannungspädagogen Deutschland) unterstützen?

Mit diesen Fragen befasst sich der Arbeitskreis Long-/Post-Covid des BVEP seit einiger Zeit. Unser Mitglied Elfi Dressler engagiert sich im Arbeitskreis und hatte Gelegenheit, mit einer von Long-COVID Betroffenen für das FrankenFernsehen ein Interview zu führen. Hier finden Sie eine Zusammenfassung des Interviews, verfasst von Frau Dressler. Einen Teil des Interviews strahlte das FrankenFernsehen im Rahmen der Sendung „Guten Abend Franken“ am 10.8.2022 aus – von 1 Stunde Aufnahmematerial wurden 3,5 min verwendet. Sie finden den Beitrag hier https://www.frankenfernsehen.tv/mediathek/

 

Zusammenfassung Interview:

Im Interview mit Frau Schaeffer wird exemplarisch deutlich, was es bedeutet, wenn Long Covid eben mehr als eine leichte Erkältung ist, wenn bis zu 200 verschiedene Symptome, die nicht einfach klinisch erfasst werden können, das komplette Leben- Arbeit, Freizeit, Sozialkontakte und Gesundheit massiv verändern.

Statt 38 km Radfahren täglich, bedeuten plötzlich 3 Treppenstufen schon eine maximale Überlastung und Erschöpfung – keine Kraft mehr. Schon die Vorstellung zum Supermarkt zu gehen, ist eine fast unüberwindliche Kraftanstrengung – ein Tagesprojekt. Massive permanente Kopfschmerzen, gegen die kein Mittel und keine Entspannungsmethode hilft. Brainfog – Wörter fehlen. Sich auf die Arbeit im IT-Bereich zu konzentrieren ist fast unmöglich: einen Text 3 Mal lesen und dennoch nicht genau den Inhalt erfassen…. Sie hat Angst, fühlt sich allein gelassen. Frustration über die schwindende Leistungsfähigkeit weiten sich aus, das gesamte Selbstbild und das Gefühl, das Leben zu meistern geraten ins Wanken.

Long Covid-Erkrankte wie Frau Schaeffer werden von anderen Menschen und auch von Ärzten häufig nicht ernst genommen. Leider gibt es in der Medizin noch keine ausreichenden Ergebnisse, die eine eindeutige Diagnose und damit auch konkrete Hilfestellungen begründen könnten. Wartezeiten für die wenigen Spezialisten sind deutlich zu lang. Frau Schaeffer und auch andere fühlen sich oft als „Simulanten“ verunglimpft oder mit Aussagen wie, das sei alles rein psychosomatisch, konfrontiert. (vgl. hierzu auch Berichte aus Frontal, ZDF vom 09.08.2022 und die Doku „Wenn durch Corona der soziale Abstieg droht und Berichte zu Long Covid und Post-VAC-Syndrom in FAKT auf ARD vom 09.08.2022 und in Mediatheken)

Ansprechpartner und Hilfe sind schwer zu finden: die PostCovid Ambulanz des Klinikums Nord in Nürnberg hat 6 Plätze und ist nur per Mail erreichbar. Vom Forschungsprojekt ASAP erfährt Frau Schaeffer aus der Zeitung und meldet sich an: ein Glücksgriff!

Endlich hört ihr jemand zu, nimmt sie ernst, nimmt sich Zeit, zeigt Verständnis, gibt ihr wieder Lebensmut und Energie, begleitet sie Schritt für Schritt auf ihrem Weg zur Wiedererlangung in Richtung Gesundheit und Leistungsfähigkeit. Sie fühlt sich wohltuend „an die Hand“  genommen.

Als Teilnehmerin der Studie führt sie viele intensive wertschätzende Gespräche mit einer Lotsin des Projekts, durchläuft 3 Tage intensive Screening und Untersuchungen in der Klinik, mit Fragenbögen, körperlichen Untersuchungen, mit Test zur Konzentrationsfähigkeit, mit psychologischen Tests auch zu psychischen Fragen. Der Chefarzt spricht 2-mal je eine Stunde mit ihr persönlich. Die klinische Diagnose bestätigt: sie hat Long Covid – es ist keine Einbildung. Sie kann mit der CASPAR APP unterstützendes Mentaltraining, Atem- und Entspannungsübungen nutzen. Sie fühlt sich wie auf Reha und endlich so unterstützt und begleitet, wie sie es für sich und auch für andere Betroffene wünscht.

Nach 6 Monaten geht es ihr wieder viel besser. Die Kopfschmerzen sind immer noch da, aber erträglich, sie kann wieder arbeiten, die Treppe gehen und schwimmen. Sie hat auch erkannt, dass die Krankheit ihr Grenzen setzt: „Wenn ich nicht mehr gehen kann, dann ruf ich mir jetzt ein Taxi. Ich habe gelernt, dass es sehr langsam vorwärts geht und ich mit mir und meinen Erwartungen geduldig sein muss und nicht so funktionieren kann, wie man es von mir erwartet“. Glücklicherweise hat sie einen verständnisvollen Chef.

Viele andere Long Covid Patienten jedoch geraten in Folge von Corona in eine chronische Erkrankung, und für manche droht der soziale Abstieg. Der Antrag auf Berufsunfähigkeit ist seit Corona bis zum 1. Halbjahr 2022 massiv gestiegen auf ca. 250.000 Menschen, damit ¾ der Anträge. Bei vielen Berufsgruppen wird diese nicht anerkannt, wie beispielsweise bei Lehrkräften. Diese seien nach Auskunft der Rentenversicherung „Keinem erhöhten Risiko ausgesetzt“ (Quelle: Frontal)

Ergänzende Informationen

Das Forschungs-Projekt „ASAP“

  • der Dr. Becker Klinikgruppe mit ihrer Kiliani-Klinik in Bad Windsheim
  • in Kooperation mit der Jacobs University Bremen
  • wird vom LGL Bayern (Bayrisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit) im Rahmen der Förderinitiative Post-COVID-Syndrom gefördert.

Auszüge aus Studie Uni Mainz vom 20.12.21 (2)

  • 10-40% von Personen, die wissentlich oder unwissentlich an SARS-CoV2 infiziert waren, leiden unter Post-/Long Covid
  • 30 % der Personen konnten nach Covid-Erkrankung nicht mehr ihre ursprüngliche Leistungsfähigkeit erlangen
  • 45,8 % der Frauen und 34,6 % der Männer sind betroffen
  • Jede 4.-5. Person hat mäßige bis schwere Beeinträchtigungen
  • 200 Symptome sind bekannt- Die Symptome können vielfältig sein und entsprechen keinem klaren klinischen Muster: Sie betreffen sowohl die körperliche als auch die psychische Gesundheit, die Funktionsfähigkeit im Alltag oder die Lebensqualität – unter Umständen auch mehrere dieser Bereiche. Die berichteten Symptome sind sehr verschieden und können sich hinsichtlich Schwere unterscheiden.

    Zu den häufigsten Symptomen zählen
  • Müdigkeit
  • anhaltende Erschöpfung (Fatigue)
  • eingeschränkte Belastbarkeit
  • Kurzatmigkeit (Dyspnoe)
  • Konzentrations- und Gedächtnisstörungen (brain fog)
  • Schlafstörungen
  • Muskelschwäche und –schmerzen
  • Stimmungsschwankungen

Was brauchen Patient*innen?

  • Anerkennung von Long Covid und Impfschäden POST-VAC als „neue Volkskrankheit“
  • Krankheit und Gesundheit als ganzheitliches Phänomen wahrnehmen und in konkrete Angebote umsetzen (Gesundheitsdefinition der WHO)
  • Akzeptanz statt Ausgrenzung und Diffamierung
  • Schnellen Zugang zu medizinischer und psychologischer Versorgung und Behandlung
  • Die Eigenwahrnehmung der Patient:innen ernstnehmen
  • Zeit, Verständnis, Zuwendung
  • Finanzielle und soziale Unterstützung

 

Was braucht die Gesellschaft? (3)

Long Covid/Post Covid

  • als gesamtgesellschaftliches Problem betrachten
  • ins Zentrum der Pandemiebekämpfung rücken- Investitionen tätigen
  • Infektionszahlen eindämmen: alle sind verantwortlich und schützen sich: Masken tragen
  • Deutsche Zentrum für Long-Covid-Forschung
  • Finanzielle Absicherung durch die Sozialsysteme, damit keine finanzielle Schieflage oder sozialer Absturz in Hartz 4 nach Auslaufen des Krankengeldes oder Berufsunfähigkeit entsteht.
  • Verbessertes Verständnis und Kommunikation im gesellschaftlichen Zusammenleben: wir sitzen alle in einem Boot- Corona und Long/Post-Covid betrifft alle jetzt und in Zukunft

 

Quellen:

(1) Forschungsprojekt ASAP  https://asap.dbkg.de

(2) https://www.unimedizin-mainz.de/GCS/dashboard/#/app/pages/AktuelleErgebnisse/ergebnisselc

(3) Karsten Lucke, SPD; Mitglied des europäischen Parlaments „Wir müssen etwas tun- Politische Forderungen und Ziele zur Behandlung von Long Covid“
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